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Jeannette Fabis

  1. vent

    Einzelausstellung c/o Schocke, Hamburg 2021

    Fotos: document it / André Giesemann

  2. Ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten von Jeannette Fabis ist das Verhältnis von Innen und Außen. Im Ausstellungsraum von c/o schocke markiert scheinbar selbstverständlich - wir befinden uns in einer Wohnung - ein Fenster die Grenze zwischen diesen Bereichen. Am Fenster kommt man nicht vorbei, will man den Raum bespielen, erst recht nicht, wenn man raumspezifisch und installativ arbeitet. So ist es nur konsequent, wenn sich hier für die Betrachter*innen gleichsam die Königsposition befindet. Schaue ich, das Fenster im Rücken, in den Raum hinein, offenbart sich das Konzept, die Ausgangsidee, eine Pointe der minimalistisch anmutenden Installation "Vent".

    Das französische "vent" bedeutet Wind, das englische "vent" bezeichnet u.a. Lüftungsschlitze. An eben solche Lüftungsschlitze erinnert auch die Lamellenstruktur, die hier wiederkehrend die kleinen, weißen, flachen Boxen kennzeichnet, Fabis selbst spricht von "Modellen". Ausgangsmaterial für die sechs identischen, von der Künstlerin handgefertigten Modelle ist jeweils eine Konfektschachtel aus Pappe, die mit weißem Buchbinderkarton ummantelt ist. Die beweglichen Lamellen sind aus demselben Karton geschnitten, die Rückwand ist mit tiefschwarzem Silhouettepapier ausgekleidet. Unsichtbar an der Wand fixiert, scheinen die Boxen zu schweben.
    Ihr minimalistischer und serieller Charakter wird betont durch die gleichmäßige Hängung an der langen Wand - ihre Kraft beziehen die Modelle aus dem Kontrast von Schwarz und Weiß und also dem Spiel mit Innen und Außen. Die jeweils unterschiedlich weit geöffneten Lamellen geben den Blick mehr oder weniger frei nach innen, wobei das matte Schwarz der Rückwand ihn ins Leere bzw. eine nicht auszumachende Tiefe gehen lässt.

    "What you see, is what you see", Frank Stellas Diktum von 1964 lässt sich auf Fabis' Arbeit anwenden - und scheint zugleich variiert: What you see, is what you want to see. Die Möglichkeit einer illusionistischen Qualität von bildender Kunst wird auf ebenso reduzierte wie radikale Weise zur Disposition gestellt: Es gibt k/ein Geheimnis.

    Entsprechend brutal geradezu die einzig geschlossene Box rechts vom Fenster: Was mache ich als Betrachter*in hier mit meinem Bedürfnis nach "Einsicht"? Ich stelle mich mit dem Rücken zum Fenster, schaue in den Raum, und siehe da: Alle von hier aus sichtbaren Modelle haben ihre Klappen zum Fenster, also zu mir hin, geöffnet. Ich spüre den Wind.

    Jost Schocke